Grußworte zum Jubiläumskonzert
Angela Dorn
Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst

Liebe Mitglieder des Vereins „Bürger pro A“, liebe Gäste,

herzlichen Glückwunsch zum 25. Jubiläum! Ein Vierteljahrhundert lang setzen sich die „Bürger pro A“ erfolgreich für das Staatsorchesters Kassel ein. Ursprünglich gegründet, um den A-Status des Staatsorchesters Kassel zu wahren, hat sich der Verein zu einer unerlässlichen Säule des Orchesters entwickelt.

Was mir besonders wichtig ist: Die „Bürger pro A“ unterstützen auch die Konzertpädagogik am Staatstheater Kassel. Zielgruppengerechte Konzert-Formate für die ganz Kleinen bis zu den Hochbetagten bereichern das Programm, Besuche von Orchestermitgliedern an Schulen fördern das musikalisches Interesse. Gerade in Nordhessen geben Sie damit wichtige Impulse in die Region, denn Kulturarbeit hat immer auch das Potenzial, Inklusion, Interkulturalität und Integration zu fördern. Gemeinsam möchten wir allen den Zugang zur Kultur ermöglichen und allen die Möglichkeit bieten, ihre Kunst zu leben. Denn wo kluge und kreative Köpfe sich entfalten können, tragen sie dazu bei, dass unsere Gesellschaft zukunftsfähig wird.

Ich wünsche Ihnen ein wunderbares Jubiläumskonzert!

Ihre
Angela Dorn
Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst


Christian Geselle
Oberbürgermeister der Stadt Kassel

Sehr geehrte Musikfreundinnen und Musikfreunde,

freuen wir uns gemeinsam auf ein ganz besonderes Neujahrskonzert in diesem Jahr! Dies ist ein Ereignis, das mit Ludwig van Beethovens 9. Symphonie nicht nur ein herausragendes Musikerlebnis verspricht. Es ist auch ein Anlass, um das außerordentliche Engagement des
Vereins „Bürger pro A“ zu würdigen. Denn bundesweit sucht dieser seit 25 Jahren währende und nachhaltige Einsatz für ein Staatsorchester seinesgleichen: Mit dem Rückhalt der „Bürger pro A“ konnte die Kulturstadt Kassel damals wirksam vertreten, dass das Staatsorchester Kassel nicht herabgestuft werden darf. So kann eines der ältesten europäischen Kulturorchester mit einer über 500 Jahre langen Tradition und dem Status A auch heute zuversichtlich in die Zukunft schauen. Es entstand zudem ein fruchtbares und stärkendes Miteinander auch zur Förderung der Konzertpädagogik und Jugendarbeit sowie der Konzerttätigkeit. Hier zeigt sich beispielhaft, was bürgerschaftliches Engagement bewirken kann.

Ganz herzlichen Dank allen, die dieses Engagement für eine lebendige Kasseler Musikkultur tragen und unterstützen!


Florian Lutz
Intendant des Staatstheaters Kassel

Als neuem Intendanten des Staatstheaters Kassel ist es mir eine große Freude mit dem Staatsorchester Kassel in den nächsten Jahren zusammenarbeiten und ein exzellentes Konzertprogramm ebenso realisieren zu können wie einen hochkarätigen Opernspielplan. Wir
starten nun mit Beethovens neunter Sinfonie in das Jahr 2022 und verabschieden uns damit zugleich von Sebastian Hannaks Rauminstallation PANDAEMONIUM, in der wir vor vier Monaten mit Alban Bergs „Wozzeck“ unsere erste gemeinsame Spielzeit in Kassel eröffnet hatten. Zentraler Ausgangspunkt dieser Raumbühne war die Herausforderung, bis zu 80 Musiker*innen unseres wundervollen Orchesters mit den bis dahin vorgegebenen Abständen so positionieren zu können, dass wir die großen Werke des 19. und 20. Jahrhunderts endlich wieder in ihrer originalen Besetzung spielen können. Dass dieser besondere Raum im Zusammenhang mit einem der ältesten Orchester Deutschlands entstanden ist und ihm zugleich beschieden wurde „die Zukunft der Oper“ zu erfinden (Süddeutsche Zeitung vom 12. Oktober 2021), lässt es heute als besonders passend erscheinen, hier Beethovens „Ode an die Freude“ anzustimmen. Unsere Freude gilt dabei ganz maßgeblich der großartigen Unterstützung durch die vielen Menschen, die sich als „Bürger pro A“ seit vielen Jahren für unseren Klangkörper einsetzen und somit erst den Erhalt seines A-Status und in den Folgejahren auch seiner musikpädagogischen Begleitung sichern konnten. Durch dieses Engagement wird seit 25 Jahren nicht nur die erstklassige musikalische Qualität befördert, die auch anlässlich des Jubiläumskonzertes von „Bürger pro A“ zu hören ist, sondern auch das Gefühl eines positiven Zusammenhaltes und einer Identifikation mit dem Orchester und der Stadt, die in ganz besonderer Weise zu spüren sind. Dafür danke ich den „Bürgern pro A“ von ganzem Herzen und freue mich sehr auf die gemeinsame Zeit hier in Kassel.


Francesco Angelico
Generalmusikdirektor am Staatstheater Kassel

Sehr geehrter Vorstand von „Bürger pro A“, sehr geehrte Damen und Herren, liebes Publikum,

die beiden vergangenen Jahre waren äußerst schwierig und belastend für unser gesellschaftliches, kulturelles und privates Leben. Das Staatsorchester Kassel hat zwei Jahre nur sporadisch musizieren können – und dies unter strengen und „unmusikalischen“ Bedingungen. Dass man langsam wieder regelmäßig Musik machen darf, ist ein wertvolles Geschehen, welches wir nunmehr mit großem innerem Bewusstsein betrachten müssen. In diesem Sinn glaube ich, dass „Bürger pro A“ eine bedeutende Stütze darstellt, die wir mehr denn je brauchen! Es ist eine so wichtige Aufgabe, das Publikum mit seinem Musikbedürfnis an unserer Seite zu haben und uns dafür zu engagieren.

Das 25. Jubiläum von „Bürger pro A“ ist ein Geschenk für uns alle, ist unser glückliches Fest! Es ist aber auch eine Chance zu beweisen, dass Schillers tief menschliche Worte in Beethovens letztem sinfonischen Werk nicht an Bedeutung verloren haben. Die Musik fungiert als Kraft des Guten, die uns erlaubt, als Menschen weiterleben zu können.

Setzen wir uns alle das Ziel, dass 2022 ein besseres, menschenfreundliches Jahr sein wird!

Herzliche Glückwünsche an „Bürger pro A“!

Und … grazie di cuore.

Ihr Francesco Angelico


Adam Fischer
Ehrendirigent des Staatsorchesters Kassel

Ich möchte die Musiker/innen des Orchesters des Staatstheaters Kassel und die Freunde des Orchesters im Publikum zum Jubiläumskonzert des Vereins Bürger pro A aus vollem Herzen beglückwünschen.

Was vor 25 Jahren geschah, die Reaktion der Kasseler Bürger auf den drohenden Verlust des Status des “A-Orchesters”, war einmalig. Das damalige positive Signal ist bis heute für die ganze deutsche Orchesterlandschaft von allergrösster Bedeutung. Die ganze Zukunft der Orchester hängt davon ab, dass junge Menschen sich für den Beruf Orchestermusiker begeistern können. Für sie wird dieser Beruf aber nur dann attraktiv, wenn die Arbeitsbedingungen auf lange Sicht stabil bleiben. Diese Stabilität wurde durch die damaligen Überlegungen zur Kürzung des Orchesterbudgets aufs Höchste gefährdet. Dass damals eine Bürgerbewegung entstand, die diese Entwicklung verhindert hat, war großartig, sollte ein Zeichen für ganz Deutschland sein. So ein Publikum hat nicht jede Stadt. Ich freue mich, dass das Orchester in den Jahren danach sich diesem Vertrauen durch seine künstlerischen Erfolge würdig gezeigt hat. Zum Jubiläum kann man sowohl den Kasseler Bürgern zu ihrem Orchester, wie auch den Musikern des Orchesters zu ihrem großartigen Publikum gratulieren!


Wendelin Göbel
1. Vorsitzender von „Bürger pro A“ e. V.

Liebe Konzertbesucherinnen und -besucher, liebe Mitglieder von „Bürger pro A“,

Beethovens Neunte, uraufgeführt am 7. Mai 1824, spricht in Musik und musiziert in Worten. Wir lassen uns berühren von der Freude, die aus diesem Werk zu uns spricht, von der Freude, die uns trägt im gemeinsamen Werk.

„Bürger pro A“ freut sich über 25 Jahre gemeinsamen Wirkens:

  • pro Staatsorchester Kassel
  • pro Konzertpädagogik für Jung und Alt im Staatstheater Kassel
  • pro besondere Konzertereignisse und Mahler-Pflege

Wir danken allen auf und hinter der Bühne, die diese besonderen Neujahrskonzerte 2022 ermöglichen. Ein besonderer Dank gilt GMD Francesco Angelico, der den vielfach aus der Bürgerschaft geäußerten Wunsch, die Neunte von Ludwig van Beethoven an Neujahr aufzuführen, aufgegriffen hat. Eine außergewöhnliche Geste der Verbundenheit mit den Zielen von „Bürger pro A“ ist es, dass die Mitglieder des Opernchores bei diesen Konzerten auf ihre Konzertgage verzichten.

„Bürger pro A“ freut sich, diese Konzerte maßgeblich zu unterstützen und mit Ihnen allen 25 Jahre erfolgreiches Wirken zu feiern. Mögen auch in Zukunft möglichst viele Menschen Freude finden durch das Staatsorchester Kassel.

Mit freundlichem Gruß im Namen des Vorstandes von „Bürger pro A“

Ihr Wendelin Göbel

Programm von Tobias Geismann, Orchestermanager und Konzertdramaturg
„Mein Herz und mein Sinn waren von Kindheit an für das zarte Gefühl des Wohlwollens.“ Ludwig van Beethoven

Im Dezember 1770 wurde, im damals beschaulichen Bonn am Rhein, Ludwig van Beethoven geboren. Sein Großvater Louis kam als Bassist aus Mechelen (Belgien) an den kurfürstlichen Hof zu Bonn und wurde später sogar Hofkapellmeister der „churkölnischen Capelle“. Sein Vater Johann van Beethoven, verheiratet mit Maria Magdalene, war ebenfalls bei der Bonner Hofmusik tätig, als Tenor. Familie Beethoven wohnte zur Miete bei Bäckermeister Fischer. Die Jahre später – im rheinischen Dialekt verfassten – Kindheitserinnerungen von Cäcilie und Gottfried Fischer geben uns einen hervorragenden Einblick in die gemeinsame Bonner Kindheit mit Ludwig. Der Mittelpunkt der Familie war Ludwigs Mutter, die er abgöttisch liebte. Jedes Jahr wurde an ihrem Namenstag ein großes Fest ihr zu Ehren gegeben, wo bis spät in die Nacht getanzt und gefeiert wurde. Oft wurde der junge Ludwig nachts von seinem betrunkenen Vater und dessen Freunden aus dem Bett geholt und an das Klavier gezwungen. Der Bonner Bürgermeister Windeck erinnerte sich: „Oft habe ich den kleinen Ludwig am Klavier stehen und Tränen vergießen sehen.“ Sein Vater erkannte die musikalische Begabung des Jungen sehr früh und träumte von einem zweiten Wolfgang Amadeus Mozart. Er begann ihn früh zu unterrichten und legte bei seinen Lektionen hauptsachlich großen Wert auf technische Studien. Die schon aufblitzende musikalische Fantasie seines Sohnes lehnte er jedoch vollständig als Hirngespinst ab. 1778 kündigte er das erste öffentliche Konzert von Ludwig folgendermaßen an: „Mit Clavier-Concerten und Trios wird er die Ehre haben aufzuwarten, wo er allen hohen Herrschaften ein völliges Vergnügen zu leisten sich schmeichlet.“


Beethoven erhielt nach der Schule, die er mit zwölf beendete, Musikunterricht bei Christian Gottlob Neefe und blühte bei seinem neuen Lehrer zunehmend auf. Neefe nahm ihn ernst und forderte ihn als eigenständigen Musiker. Neefe war es auch, der erste Kompositionen des 13-Jährigen verlegen ließ. Wenig später wurde Ludwig Hoforganist und spielte ab und an auch Bratsche in der Hofkapelle. Damit trug er zum Familieneinkommen bei und übernahm früh Verantwortung für seine Angehörigen (die er Zeit seines Lebens wahrnehmen sollte). Er gab ebenfalls Musikunterricht und lernte dadurch auch seinen zukünftigen Gönner Graf Waldstein kennen.

1786 reiste Beethoven erstmals nach Wien, um Mozart vorzuspielen. Mozart war zuerst gar nicht recht begeistert, da er Beethovens Vortrag lediglich für gut einstudiert hielt. Erst nachdem der junge Mann frei über ein von Mozart gegebenes Thema fantasierte, wurde er hellhörig und sagte zu den Anwesenden: „Auf den gebt acht, der wird die Welt von sich Reden machen.“ Leider ließ die Erkrankung seiner Mutter Beethovens ersten Wien-Aufenthalt abrupt enden, da er sofort nach Bonn an ihr Krankenbett reiste und sich gerade noch rechtzeitig von ihr verabschieden konnte, bevor sie starb: „Sie war mir eine so gute liebenswürdige Mutter, meine beste Freundin; O! Wer war glücklicher als ich, da ich noch den süßen Namen Mutter aussprechen konnte, und er wurde gehört, und wem kann ich ihn jetzt sagen? Den stummen ihr ähnlichen Bildern, die mir meine Einbildungskraft zusammensetzt?“, schrieb er am 15. September 1787 an Joseph Wilhelm von Schaden. Der Tod der Mutter war ein harter Schlag für die gesamte Familie. Der Vater wurde nun vollkommen zum Alkoholiker und im Zuge dessen arbeitslos. Ludwig übernahm daraufhin die Vormundschaft für seine jüngeren Brüder.


„Vielleicht wird der Himmel wollen, dass ich nicht ganz aufgeben muss, Wien als meinen ständigen Aufenthalt zu betrachten.“
Beethoven in Wien

Fünf Jahre später, Beethoven war gerade 22 geworden, traf er in Bonn mit Joseph Haydn zusammen. Haydn war von dem jungen Mann so begeistert, dass er ihm sofort Unterricht bei sich in Wien anbot. Beethoven, der sich so einen Studienaufenthalt nicht leisten konnte, erhielt daraufhin durch den Bonner Kurfürsten Maximilian ein Stipendium und reiste vom Rhein an die Donau. Es war ein Aufbruch für immer, da 1794 das Rheinland von Napoleons Truppen besetzt und das Kurfürstentum aufgelöst wurde. In seiner neuen Heimat wurde er schnell als Klaviervirtuose gefeiert und wurde neben Joseph Haydn auch von Antonio Salieri und Johann Georg Albrechtsberger unterrichtet.

Graf Waldstein schrieb ihm: „Lieber Beethoven, Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung Ihrer so lange bestrittenen Wünsche. Mozarts Genius trauert noch und beweinet den Tod seines Zöglings. Bey dem unerschöpflichen Haydn fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung. Durch ihn wünscht er noch einmal mit jemandem vereinigt zu werden. Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie Mozarts Geist aus Haydns Händen. – Bonn, den 29. Oktober 1792 – Ihr wahrer Freund Waldstein.“

Beethoven arbeitete bald als freier Musiker in Wien und genoss es, keinem Fürsten dienen zu müssen. 1808 wollte ihn der Bruder von Napoleon Bonaparte, König Jerome (König Lustik) nach Cassel holen und bot ihm 600 Gulden jährlich. Beethoven trat die Stelle im Königreich Westfalen jedoch nicht an und handelte stattdessen mit Erzherzog Rudolph und den Fürsten Lobkowitz und Kinsky einen Vertrag über eine jährliche Rente von 4000 Gulden aus, wenn er in Wien bliebe.

Ab 1812 begann sich Beethovens Lebenssituation deutlich zu verschlechtern, er bekam materielle Sorgen trotz der versprochenen Rente. Sein unglückliches Liebesleben sowie vergebliches Liebeswerben hinterließ tiefe seelische Spuren und sein Gehörleiden verschlimmerte sich bis zur völligen Taubheit.

Ab 1814 meidet er alle öffentliche Auftritte und notiert später dazu: „Der neidische Dämon hat meiner Gesundheit einen schlimmen Streich gespielt, nämlich mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden […] meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort. […] Ich bringe mein Leben elend zu. Seit zwei Jahren meide ich alle Gesellschaften, weils mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin taub.“

Beethoven setzte zunächst Hörrohre ein, um der Taubheit entgegen zu wirken, ab seinem 48. Lebensjahr verwendete er Konversationshefte, in denen er schriftlich mit seiner Umgebung kommunizierte.


„Bin ich drin: Da geht’s wohl“ Beethovens 9. Sinfonie

Diese Lebenskrisen hatten natürlich auch Auswirkungen auf Beethovens Werk, es entstanden zwischen 1815 und 1822 bis auf wenige Ausnahmen wie die Missa solemnis (für Erzherzog Rudolph) keine sinfonischen Werke, sondern überwiegend Klavierkompositionen oder Kammermusik. „Beethoven beschäftigt sich, wie einst Haydn, mit Motiven schottischer Lieder; für größere Arbeiten scheint er gänzlich abgestumpft zu seyn“, schrieb die Allgemeine Leipziger Zeitung 1821.

Ludwig van Beethove, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler 1820

In seinen Skizzenbüchern finden sich allerdings schon seit 1817 ausgefeilte Ideen zu zwei neuen Sinfonien. Die London Philharmonic Society hatte Beethoven nach London eingeladen und Aufträge zu zwei Sinfonien vergeben, die er nur zu gerne annahm. 1822 erklärte er gegenüber dem Leipziger Dramatiker Friedrich Rochlitz: „Ich sitze und sinne und sinne; ich habs lange: aber es will nicht aufs Papier. Es grauet mir vor’m Anfange so großer Werke. Bin ich drin: Da geht’s wohl.“

Im Frühjahr 1818 findet sich auf einem Skizzenblatt die Idee zu einer Sinfonie „wo alsdenn im letzten Stück oder schon im Adagio die Singstimmen eintreten.“ Es sollten allerdings noch einige Jahre ins Land gehen, bevor sich Beethoven wirklich ernsthaft an die Komposition derselben machen würde, in ein Konversationsheft schrieb er: „Wahre Kunst  ist eigensinnig, läßt sich nicht in schmeichelnde Formen zwängen.“ Mitte 1822 war es dann so weit, Beethoven begann mit seiner 9. Sinfonie, und im Januar 1823 verkündete die Leipziger Allgemeine Musikzeitung: „Gegenwärtig soll er sich mit der Composition einer neuen Symphonie beschäftigen.“ Ausschnitt des Autographs des ersten Satzes

Beethoven informierte am 1. Juli 1823 den Erzherzog: „Ich schreibe jetzt eine neue Symphonie für England für die philharmonische Gesellschaft, und hoffe selbe in Zeit von 14 Tagen gänzlich vollendet zu haben.“ Allerdings war er doch noch etwas langer damit beschäftigt: Im März 1824, während schon die Orchesterstimmen abgeschrieben wurden, vollendete er das Stück. Am 7. Mai 1824 erlebte die Sinfonie, gemeinsam mit drei Sätzen der Missa solemnis, ihre umjubelte Erstaufführung im Kärntnertortheater in Wien, es war ein grandioser Erfolg.

Der als Geiger an der Uraufführung beteiligte Joseph Michael Bohm berichtete später in der Brünner Zeitung von der Uraufführung: „Beethoven war so aufgeregt, daß er nichts sah, was um ihn vorging, daß er auf den Beifallssturm, den er freilich bei seiner Gehörschwäche kaum hören konnte, auch nicht einmal achtete. – Man mußte es ihm immer sagen, wenn es an der Zeit war, dem Publikum für den gespendeten Beifall zu danken, was Beethoven in linkischer Weise that. – Beethoven feierte einen großen Triumph, doch konnte auch dieser ihm nur vorübergehend genügen und erheitern! Seine Taubheit machte ihn höchst unglücklich, der Trübsinn, der ihn befangen hielt, wich nicht mehr von ihm.– Es war ein trauriges, herzzereißendes Bild, diesen großen Geist so der Welt abgekehrt verschlossen, mißtrauisch und in seiner Häuslichkeit vernachlässigt zu sehen.“Kärntnertortheater in Wien, Litographie um 1830


„Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiss nicht.“ Beethovens letzte Jahre

In seinen Skizzenheften finden wir allerhand Material für eine weitere Sinfonie, doch Beethoven erkrankte wiederholt schwer und war die letzten Monate seines Lebens ans Krankenlager gefesselt. 1826 entstand seine letzte Komposition. Am Nachmittag des 26. März 1827 verstarb Beethoven an Nieren- und Leberversagen. In seinem Heiligenstädter Testament von 1802 schreibt er: „Mit Freuden eil ich dem Tode entgegen. – Kömmt er früher, als ich Gelegenheit gehabt habe, noch alle meine Kunstfähigkeiten zu entfalten, so wird er mir trotz meinem harten Schicksal doch noch zu frühe kommen, und ich würde ihn wohl später wünschen. – Doch auch dann bin ich zufrieden: befreit er mich nicht von einem endlosen leidenden Zustande? – Komm, wann du willst: ich gehe dir mutig entgegen. – Lebt wohl und vergesst mich nicht ganz im Tode.“ Ludwig van Beethoven wurde 56 Jahre alt.Totenmaske Ludwig van Beethovens


„Seid umschlungen, Millionen“ Friedrich von Schillers Ode an die Freude

Friedrich von Schiller (1759-1805), Ludovike Simanovitz, Zeichnung von 1784Friedrich Schillers Ode an die Freude entstand hauptsachlich im Sommer 1785 bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in Gohlis (heute ein Stadtteil von Leipzig) für seinen Freund und Mit-Freimaurer Christian Gottfried Körner und war ursprünglich ein Trinklied. „Als Schiller am ersten Morgen mit uns hier unter dem Nussbaum an unserem Frühstückstische saß, brachte er eine Gesundheit auf ein frohes Zusammenleben aus. Die Gläser klangen hell, aber Schiller stieß in seiner enthusiastischen Stimmung so heftig mit mir an, dass mein Glas in Stücke sprang. Der Rotwein floss über das zum ersten Male aufgedeckte Damast-Tuch zu meinem Schreck. Schiller rief: Eine Libation für die Götter! Gießen wir unsere Gläser aus!“, berichtete Minna Körner.

Vollendet und gedruckt wurde die Ode bereits im November desselben Jahres. Schiller war allerdings sehr unzufrieden damit und arbeitete das Gedicht mehrere Male um. Am 21. Oktober 1800 schrieb er an Körner: „Deine Neigung zu diesem Gedicht mag sich auf die Epoche seiner Entstehung gründen: Aber dies gibt ihm auch den einzigen Wert, den es hat, und auch nur für uns und nicht für die Welt, noch für die Dichtkunst.“ Erst 1808 erschien posthum die finale Fassung der Ode, die auch Beethoven in seiner 9. Sinfonie als Schlusschor verwendete. Bereits 1809 notierte Beethoven in einem Skizzenheft musikalische Ideen und kommentierte dazu: „Freude schöner Götterfunken – Ouvertüre ausarbeiten […] – nicht das Ganze.“ Jahre später vertonte er in seiner Sinfonie ebenfalls nicht das komplette Gedicht, sondern richtete es nach seinem Gusto ein.

Mit der Verwendung des Chores in seiner 9. Sinfonie sprengte Ludwig van Beethoven alle bis dahin für seine Zeitgenossen denkbaren und geltenden sinfonischen Formen und gilt somit auch als Erneuerer und Wegbereiter der später um Franz Liszt und Richard Wagner entstehenden „Neudeutschen Schule“. Mit seiner Sinfonie stieß er die Tür in ein neues musikalisches Zeitalter auf. Das Werk ist seit der ersten Aufführung äußerst populär und liegt seitdem auch in zahlreichen Bearbeitungen für die unterschiedlichsten Besetzungen und Formationen vor. Die Tradition, die 9. Sinfonie an Silvester bzw. Neujahr zu spielen, begann im Jahre 1918 mit dem Dirigenten Arthur Nikisch und dem Leipziger Gewandhausorchester. Von Wagner noch als rein deutsche Hymne nationalistisch verklärt und von Joseph Goebbels als heroische Titanenmusik betitelt, ist die Ode an die Freude seit 1972 offizielle Hymne des Europarats und trägt die Schillersche und Beethovensche Kernaussage in die Welt hinaus: „Alle Menschen werden Brüder“.

Tobias Geismann

Bildunterschriften:

  • Der 13-jährige Ludwig van Beethoven Ölgemälde eines Bonner Meisters um 1783
  • Ansicht Wiens vom Belvedere aus, Zeichnung von Leander Russ 1841
  • Beethovens Skizze der Melodie zur Ode an die Freude
  • Ludwig van Beethoven, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler 1820
  • Ausschnitt des Autographs des ersten Satzes
  • Kärntnertortheater in Wien, Lithographie um 1830
  • Totenmaske Ludwig van Beethovens
  • Friedrich von Schiller (1759 – 1805), Ludovike Simanovitz, Zeichnung von 1784

Konzertpädagogik
Konzert für alle!
Konzertpädagogik mit dem Staatsorchester Kassel von Laura Wikert

Liebes Publikum, sehr geehrte Mitglieder von „Bürger pro A“,

seit der Spielzeit 2018/19 darf ich als Konzertpädagogin das Angebot für junge Menschen, „Konzerteinsteiger:innen“ und besondere Zielgruppen gemeinsam mit dem Orchestermanagement und den Orchestermusiker:innen gestalten. Unser Ziel ist es, Menschen jeden Alters und Bildungsstands die Begegnung mit klassischer Musik und dem Staatsorchester Kassel zu ermöglichen. Im selben Zuge wollen wir Zugangsbarrieren abbauen und natürlich: für Musik begeistern!

Konzert für Kindergärten und Schulen!

Die Bildungseinrichtungen der Stadt und des Landkreises sind hierzu wichtige Partner, die Pädagog:innen dort ermöglichen vielen Kindern mit einem gemeinsamen Konzert- oder Theaterbesuch einen ersten Zugang zu Kultur. So ist mittlerweile ein breitgefächertes Angebot besonders für Schulen und Kindergarten entstanden: Schon für Kindergartengruppen bieten wir mit „Lauscher auf!“ kleine Sitzkissen-Konzerte im Orchesterprobensaal an, für Grund- und weiterführende Schulen spielen wir drei Kinderkonzert-Produktionen je Spielzeit, Schulklassen ermöglichen wir Instrumentenvorstellungen oder besuchen gemeinsam Proben. In ausgewählten Schulen unterstützen die Musiker:innen im Rahmen von Orchesterpatenschaften außerdem den Musikunterricht. Die Pandemie belastet Schulen besonders stark, das vergangene Jahr mit zahlreichen Veranstaltungsabsagen und Kontaktbeschränkungen erfordert nun neue Energie und erneuten Aufbau von kontinuierlichen Kooperationen. Ich sehe jedoch sehr positiv in die Zukunft, denn der Mehrwert von Konzertbesuchen im Rahmen des Unterrichts ist deutlich spürbar, das digitale Angebot kann das „echte Erleben“ nicht ersetzen.

Tatort Klassik: Abgetaucht! Musik- und Wasserwelten (2. Kinderkonzert 2019/20) / Foto: N. Klinger von links: Laura Wikert, Kinder der Königstorschule (Lehrerin Henriette Hartleb), Lona Culmer-SchellbachTatort Klassik: Abgetaucht! Musik- und Wasserwelten (2. Kinderkonzert 2019/20) / Foto: N. Klinger von links: Laura Wikert, Kinder der Königstorschule (Lehrerin Henriette Hartleb), Lona Culmer-Schellbach

Konzert für alle!

Auch für Familien, Konzerteinsteiger:innen und überhaupt alle neugierigen Menschen bietet das Staatsorchester Kassel Konzertformate zusätzlich zu klassischen Sinfonie- und Kammerkonzerten: Neben einer Familienkonzert-Reihe bringen wir diese Spielzeit regelmäßig zwei moderierte Sonderkonzerte auf die Bühne: „Peter und der Wolf – ein Entdecker:innenkonzert für alle!“ und „Ring in Concert – Wagner und Filmmusik“. In beiden Konzertformaten sind Illustrationen einer Künstlerin aus Kassel zu sehen, Katrin Nicklas. Diese Illustrationen konnten wir mit der Unterstützung von „Bürger pro A“ in Auftrag geben, sie ergänzen die Musik sehr lebendig. Der Gedanke „Musik für alle!“ umfasst auch die Teilhabe von Menschen in schwierigen Lebenslagen. So besteht seit vielen Jahren eine Zusammenarbeit mit der Neuropädiatrie des Klinikums Kassel, jeden Monat spielen wir dort eine musikalische Geschichte für Kinder, die stationär behandelt werden. Mit „Unvergessen!“ laden wir besonders Menschen mit demenziellen Veränderungen, ihre Begleiter:innen und Familien ein, zurück ins Theater zu kommen und gemeinsam außerhalb vom Alltagstrott positive Erlebnisse zu sammeln.

Instrumenten-Vorstellung im Orchesterprobensaal / Foto: Olga Kurbacheva von links: Christian Voß, Helmut Simon, Laura WikertInstrumenten-Vorstellung im Orchesterprobensaal / Foto: Olga Kurbacheva von links: Christian Voß, Helmut Simon, Laura Wikert

Ausblick

Mit dem Beginn der Intendanz von Florian Lutz wurde die Sparte Junges Staatstheater+ (JUST+) personell gestärkt, das Musiktheater hat z. B. nun ebenfalls eine volle Stelle für den Bereich Vermittlung geschaffen. In Zukunft wird sich die Zusammenarbeit aller Sparten im Bereich JUST+ intensivieren. Diese Spielzeit zeigt sich das schon im Projekt Krabat: Unter der Regie der neuen JUST+-Leiterin Barbara Frazier und mit professionellen Bedingungen erarbeiten Jugendliche eine Version des gleichnamigen Jugendbuchs von Ottfried Preußler, beschäftigen sich in diesem Rahmen mit der Faszination des Bösen. Im Bereich musikalische Einstudierung unterstütze ich hier das Team, gemeinsam arbeiten wir an Rhythmus und Musik mit Schlaginstrumenten. Ich bin selbst sehr gespannt, wie sich dieses Projekt entwickeln wird. Zum Abschluss dieser Übersicht möchte ich mich herzlich für Ihre Unterstützung bedanken. Und Sie herzlich einladen, sich selbst von unserer Arbeit zu überzeugen – bei allen unseren Angeboten sind auch neugierige Erwachsene immer willkommen. Bis bald im Konzert!

Laura Wikert

Konzertpädagogin

Peter und der Wolf – Ein Entdecker:innenkonzert (2020/21) / Foto: Marina SturmPeter und der Wolf – Ein Entdecker:innenkonzert (2020/21) / Foto: Marina Sturm

Wir laden sie herzlich ein: Konzertangebote