Staatstheater haben einen kulturpolitischen Auftrag - für immer

von Dieter Beine

Dieter Beine war zur Zeit der Gründung von "Bürger pro A" Büroleiter des Kasseler Oberbürgermeisters Georg Lewandowski und ist heute Protokollchef der hessischen Staatskanzlei

Im Jahr 2018 provozierte in Wiesbaden die Theater-Bienale damit, dass sie für eine gewisse Zeit das Staatstheater schloss und einer anderen Verwendung zuführte. So eröffnete im goldglänzenden Foyer ein REWE-Supermarkt mit Vollsortiment, im Werkstattbereich zog eine Porno-Kino ein und auf der Hauptbühne konnte man mit seinem PKW parken und gleichzeitig Kinofilme anschauen. Eine heftige Diskussion in der Stadtgesellschaft brach aus. Gut so!

Diese Atmosphäre der kulturpolitischen Diskussion ließen Erinnerungen an meine Kasseler Zeit hochkommen. Diskutierte man doch 1995 in Kassel, ob man aus Einsparungszwängen das Staatstheater von seinem A-Status auf einen B-Status herunterstufen müsste. 6 Jahre nach der Wiedervereinigung, nun die Mitte Deutschlands und nicht mehr Zonenrandgebiet, war die Stadt immer noch hoch verschuldet, der Haushalt vom Regierungspräsidium nicht genehmigt. Millionen (ca. 10,7 Millionen DM) sollten im Theater eingespart werden – wie so oft!

Heftige Diskussionen brachen los. Wollte man wirklich das Theater zerschlagen, runterstufen, in eine GmbH überführen.? Alles war möglich. In manchen Fraktionen in der Kasseler Stadtverordnetenversammlung wurde diskutiert, ob man ein Staatstheater überhaupt braucht. Zumal die „Landeier“ (Bewohner des Landkreises Kassel) die Kultur im 3 Spartenhaus genossen, aber der Kreis sich am Theater nicht finanziell beteiligte. Konnte man nicht unterschiedliche Eintrittspreise - nach Wohnort verlangen? Jede groteske Idee, war in diesen Wochen möglich. Und das in der Stadt, die zu den traditionsreichsten Theaterstädten Deutschlands zählt. Unter Landgraf Moritz wurde das Ottoneum (heute Naturkundemuseum) vor über 400 Jahren als erster fester Theaterbau Deutschlands errichtet.

Lang hat es gedauert, bis nicht nur finanzielle Aspekte in einem Theaterbetrieb zählten. Es ist dem Verein „Bürger Pro A“, der sich in dieser Zeit gründete, und den Orchestermitgliedern zu verdanken, dass die Diskussion sich versachlichte. Sie schafften es gemeinsam mit Hans Krollmann und anderen einflussreichen Bürgerinnen und Bürgern der Kasseler Stadtgesellschaft, und darüber hinaus, der Politik den Wert und die Klasse dieses Staatstheaters Kassel zu vermitteln. Sie machten transparent, auch durch das damalige Wibera-Gutachten, wie dieses Theater finanziell dasteht. Viele waren überrascht, wie wenig Geld für Produktion und Werkstätten überhaupt vorhanden waren. Man erkannte gemeinsam, dass der A-Status eine Qualitätsaussage war/ist und Kassel als Kulturstadt dies brauchte/braucht.

Ich erinnere mich gerne an die Zeit, als ich Büroleiter des Oberbürgermeisters Georg Lewandowski in Kassel war. Es hat Freude bereitet, an manchen Stellen den Oberbürgermeister beratend zur Seite gestanden zu haben. Georg Lewandowski hat es zugelassen, Argumente auszutauschen, Zweifel zu artikulieren und auch Meinungen zu ändern.

Und so auch bei den damaligen harten Einsparungsvorschlägen für das Kasseler Staatstheater. Es ist dann doch gelungen, den kulturpolitischen Auftrag eines Staatstheaters in den Vordergrund zu stellen. Der A Status blieb – und das bis heute. BRAVO!

Auch 25 Jahre danach merken wir doch, der jeweilige Haushaltsanteil für Kultur ist in jedem Haushalt zu gering. In einer immer mehr verflachenden Gesellschaft, muss die Kultur finanziell besser ausgestattet getan werden. Sonst gewinnen Sparten, wie „Bauer sucht Frau“ oder „Dschungelcamp“ die Oberhand. Und Achtung! Wenn wir nicht aufpassen, wird vielleicht doch in der Zukunft ein Theater zum Parkplatz oder Supermarkt. Wollen wir das?

Deshalb:

Herzlichen Glückwunsch an die Kämpferinnen und Kämpfer im Verein „Bürger Pro A“